Christian Paul Stobbe: Digital Customer Experience ist bedingt durch die digitale Positionierung des Unternehmens und seiner Kultur

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Weiter geht es in unserer Interviewreihe zum Shift/CX, der Veranstaltung rund um die Entwicklung der Digital Customer Experience, heute im Interview Christian Paul Stobbe. Er ist ursprünglich Naturwissenschaftler, beschäftigt sich aber seit fast 20 Jahren mit Strategie und Marken, Digitalisierung und Innovation. Dank seines Vaters, einem Kommunikationstechniker und Technikfan, hat er seit frühester Kindheit die rasante technologische Entwicklung und Durchdringung der Gesellschaft umfassend und frühzeitig miterlebt. Digital ist für ihn normal, er kennt aber auch noch die analoge Welt vor Internet und Facebook. Seit zwei Jahren ist er als STOBBE.WTF selbstständig und gründet gerade im Factory Campus Düsseldorf sein neues Unternehmen namens NotAnotherFucking.Agency. Im Interview erklärt Stobbe, warum vor allem erst einmal eine interne digitale Selbstfindung vorzunehmen ist, um gegenüber Kunden wiederum positiv auftreten zu können.

http://experience-marketing-blog.de/files/2018/01/Christian-Paul-Stobbe-Customer-Experience-Digitaler-Wandel-ShiftCX-Kongress-Media-Event-Marketing.jpgWelches Trendthema bestimmt die Diskussion rund um die „ Digital Customer Experience “ in 2018 – und warum?

Automatisierung wird dank Bots und KI sicherlich ein dominierendes Thema - Die Vielzahl der digitalen Touchpoints (Tendenz steigend), der Wunsch nach holistischem Management der Customer Journey über alle Touchpoints hinweg (früher mal 360° Kommunikation genannt) sowie neue technologische Möglichkeiten (KI, DAM, CRM, Voice, etc.) bei gleichzeitig stagnierenden Budgets und nicht proportional wachsenden Personalressourcen (Einsparungen, Talentmangel, etc.) werden zu einer zunehmenden Automatisierung im Marketing führen (müssen). Und schafft endlich wieder Platz für Strategie und Erneuerungsfähigkeit.


Was sind die großen Herausforderungen hinter diesem Thema?

Kultur, Kultur, Kultur. Digitalisierung und der Erfolg einer digitalen Strategie hängen maßgeblich von der gelebten Unternehmenskultur ab. Nur durch Anschaffung neuer Tools („Dank Confluence sind wir jetzt agil.“), die temporäre Beratung durch Consultants („Sie müssen XYZ machen, sonst ist ihr Business Modell morgen tot.“) oder das punktuelle Besetzen neuer Positionen („Ein paar junge Wilde…“) bzw. das Schaffen toller neuer Job Titles („Agile HR Specialist“) ist nicht nachhaltig und birgt viele Risiken. Insbesondere wenn das Marketing Team klein und schon mehr als ausgelastet ist („Frau Müller, machen Sie doch bitte noch das bisschen Social Media nebenher.“), ist die Akzeptanz von digitalen Strategien und Tools im eigenen Team sehr gering. Und ohne das Engagement aller Mitarbeiter bleiben digitale Themen nur fragil und nicht agil.
Lernpfad Customer Journey Management

Wo stehen die Unternehmen bei dem Thema „ Digital Customer Experience “? Was machen sie gut und wo müssen sie nachlegen?

Pauschal lässt sich diese Frage eigentlich nicht beantworten, da die Unternehmens- und Branchenlandschaft bisher sehr heterogene Erfolge erzielt haben. Es gibt Leuchttürme, ein vorderes Drittel und eine große Zahl Nachzügler und Skeptiker quer durch alle Branchen. Erfolgreich werden Themen oft dann umgesetzt, wenn man sich kurzfristig Erfolge (Abverkauf, PR, etc.) verspricht oder einem vermeintlichen „Next Big Thing“ aufgesessen ist, es also eher um Prestige geht. So präsentiert man gerne eine hippe VR-App, während der Kunde immer noch am Webshop des Unternehmens verzweifelt oder wieder einmal der Service aus Pakistan kommt. Programmatic und Performance, SEA, SEO und manchmal auch Social Media Advertising sind spätestens seitens der Agenturen der Unternehmen oft schon Bestandteile des Maßnahmenkatalogs. Allerdings - und das ist mit eines der größten Probleme - leider immer noch sehr inselartig vom Unternehmen betrieben. Ganzheitliche Digitalstrategien bzw. unternehmerische Visionen für das digitale Zeitalter fehlen meist noch.

Hat die Ausrichtung auf das „digitale Kundenerlebnis“ nach Ihrer Meinung bereits einen angemessenen Stellenwert in der Gesamtstrategie zum digitalen Marketing? Und was ist die Begründung hinter Ihrer Antwort?

Nein. Definitiv noch nicht. Neben einigen Unternehmen, die es verstanden haben, überwiegen im digitalen Bereich immer noch eher verkaufsorientierte Taktiken, Maßnahmen und klassisches Werberdenken („Mein Ad wurde geschaltet, also wurde es auch wahrgenommen“). Eine gutes digitales Kundenerlebnis umfasst jedoch eine ganze Kette von Prozessen, Touchpoints und allen Aspekten eines guten Service Designs, somit steht also ein mittel- bis langfristiger Weg vor den Unternehmen, für den man Durchhaltevermögen, Ressourcen, eine digitale Kultur und die Fähigkeit, Silos in der Organisation zu überwinden, unbedingt benötigt. Und diese Ausdauer ist aus verschiedenen Gründen (Quartalsdenke, keine bis zu kleine Budgets, mangelnde Kenntnisse, fehlende Skills) oft nicht vorhanden.

Womit sollten die Projektüberlegungen bei diesem Thema anfangen?

Das Thema Digital Customer Experience startet immer beim Kunden. Glaubt man vermeintlich. Aber die Betrachtung der Kunden und ihrer Bedürfnisse und Probleme ist nur eine Seite der Medaille. Unternehmen sollten sich zunächst einmal kritisch hinterfragen, ob und wie gut man für digitale Strategien und deren Realisierung aufgestellt ist. Welche digitale Vision hat man für das Unternehmen? Was bedeutet Digitalisierung für das Unternehmen und sein Geschäftsmodell? Welche Skills und welches Know-how ist vorhanden, welches fehlt? Nur dann ergibt sich kombiniert mit Kundenwissen und Kundenzentrierung  die Basis und ein fruchtbarer Boden für das Erreichen eines digitalen und vor allem dauerhaften guten Kundenerlebnisses.
Vielen Dank, Herr Stobbe!