Gespräch zum CEX Trendradar 2023: Trends für das Fundament der CX-Projekte

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In der vergangenen Woche sind wir wieder mit unserer wöchentlichen Shift/CX-Talkreihe gestartet, bei der wir uns jeden Donnerstag um 15:30 Uhr mit wechselnden Gästen über aktuelle Themen aus dem CX-Bereich unterhalten. 

Zum Start ins neue Jahr sprachen wir dieses Mal mit Harald Henn, einem der zwei Autoren des CEX Trendradars, in dem aktuelle CX-Trendthemen analysiert, bewertet und interpretiert werden. Der CEX Trendradar wird jährlich herausgebracht und ist ein gemeinsames Projekt von Prof. Dr. Nils Hafner und Harald Henn, unterstützt von SAP, VIER und bsi und vorgestellt in einem ausführlichen Trendreport mit umfangreichen Hintergrund-Materialien und Erklärungen auf der CX:Dialog.

Nachdem die beiden Autoren ihre ersten Resümees (jeweils zur Jahreswende) in ihren Fachblogs veröffentlichen (siehe hier bei Harald Henn und hier bei Nils Hafner), war es natürlich spannend, hierzu nochmals mit Harald Henn in einer Art „Helikopterblick” darauf zu schauen und die wichtigen Themen kritisch anzudiskutieren.

Was ist der CEX Trendradar?

Der CEX Trendradar ist das Ergebnis einer qualitativen Forschung auf Basis zahlreicher Expertengespräche mit Forschern, Projektverantwortlichen, Beratern und Lösungsanbietern. Der CEX Trendradar bietet damit eine kategorisierte Übersicht von (derzeit) 19 Themen, die die Projekte im Themenfeld „Customer Experience” bewegen.

Das Kategorienset des CEX Trendradar basiert dabei auf der Idee des Frameworks „People - Process - Technology (PPT)”, die sich auf die Beziehung zwischen den drei wichtigen Elementen eines Veränderungsprozesses bezieht. Die Idee hinter dieser Dreiteilung ist: Um einen bestimmten Job auszuführen, nutzen Menschen Prozesse und Methoden, die sie durch den Einsatz technischen Know-hows und Technologien verbessern.

In diesem Kategorien-Set sehen die beiden Experten derzeit 19 Trendthemen, die die Entwicklungen im Themenfeld „Customer Experience” beeinflussen und die in den Unternehmen auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen stehen. Hafner und Henn verorten die Themen in ihrem Trendradar dabei in vier Status:

  • Vision
  • Prototyp
  • Akzeptanz
  • Standard beziehungsweise Umsetzung

Die Trendthemen werden jedes Jahr neu bewertet und können sich verändern. Der CEX Trendradar wird daher als dynamisches Set an Trendthemen verstanden, bei dem neue Einzelaspekte hinzukommen oder wegfallen. Zum Beispiel, weil sie in den Unternehmen zum Standard geworden sind und keinen Trend-Status mehr haben. Ziel ist, einen Wegweiser für die Branche zu den wichtigsten Themen zu bieten.

Veränderungen im CEX Trendradar 2023: Mehr Substanz bei CX-Themen in den Unternehmen

In der Bewertung der Veränderungen der Trends über die Jahre stellte Harald Henn heraus, dass eigentlich kein Thema isoliert betrachtet werden kann. Vielmehr stünden die Themen im CX-Bereich immer in Verbindung miteinander, womit bei der Betrachtung und Bewertung ein gewisser Grad an Komplexität einhergeht.

Dennoch lässt sich im Fazit über die verschiedenen Trenddimensionen festhalten: Viele Themen haben in Bezug auf Akzeptanz und Umsetzung an Substanz gewonnen. Um es mit Nils Hafner zu sagen: 2023 wird der Bau des „Fundaments und des Grundstocks” für CX umgesetzt.

„People”: Mit mehr Mitarbeiterorientierung zu mehr CX-Erfolg

Aus den Gesprächen zum CEX Trendradar konnten die Autoren in der Kategorie „People” keine großen Veränderungen feststellen. Die Einzelthemen „CX Kultur”, „CX Innovationsmanagement”, „CX Strategie” sowie „CX Governance” sind laut Harald Henn nahezu auf dem Vorjahresstand. Konkrete Fortschritte mache nur das Thema „Employee Experience” (EX). So werden im Trendradar verschiedene „Leuchtturm-Projekte” vorgestellt, die entlang einer NPS-Messung (Net Promoter Score) aufzeigen können, dass sich beim Thema Kundenzufriedenheit Investitionen in MitarbeiterInnen lohnen.

Auf die Frage, warum in Zeiten des Rufs nach mehr „Business Impact” für CX das Thema „CX Governance” (siehe auch Interview hierzu mit Nils Hafner) nicht vorankommt, meint Harald Henn: Die Umsetzung einer CX Governance (im Sinne eines abgestimmten Handelns im Unternehmen) sei schwierig und komplex, da hierbei immer viele Beteiligte mitreden wollten. Für die CX Governance müssten Spielregeln definiert und auch das Silodenken aufgegeben werden. Hierbei gäbe es aber immer Gewinner und Verlierer, und die Verlustängste der Menschen in diesen Konstellationen führten zu großen Verharrungskräften.

Lernpfad Customer Journey Management

„Process”: Professionalisierung in der Nutzung von Methoden und Konzepten

In der Kategorie „Process” werden im CEX Trendradar verschiedene Methoden und Konzepte beobachtet, die helfen, das Customer Experience Management zu professionalisieren. Dabei sticht im CEX Trendradar 2023 vor allem das Thema „Customer Journey” heraus. Hierzu schreibt Nils Hafner in seiner Bewertung der Trendradar-Ergebnisse: 

„Das Customer Journey Management ist aus dem CX-Alltag nicht mehr wegzudenken; die Customer Journey ist das Arbeitspferd im CX-Management”. 

Laut Harald Henn war die Customer Journey vor zwei bis drei Jahren eine einfache Methode, um eine einheitliche Sicht auf die Kundeninteraktionen im Unternehmen zu entwickeln und dadurch die Abstimmung im Unternehmen zu verbessern. Inzwischen wird die Methode immer mehr als Steuerungswerkzeug für den Ist-Zustand verstanden. Die Entwicklung erfolgte in drei Stufen: 

  1. Einstieg über eine unverfängliche Abbildung der Customer Journey 
  2. Nutzung der Customer Journey zu einer für alle verständlichen Abstimmung von Verbesserungen 
  3. Unterfütterung der Sicht auf die Customer Journey mit Daten zur Ist-Customer-Journey der Kunden in einem Cockpit

Daraus leiten sich Erkenntisse für neue Handlungsoptionen ab, was die Customer-Journey-Methode zum Einfallstor für viele CX-Projekte gemacht hat. Laut Harald Henn gibt es jedoch noch Luft nach oben bei der Berücksichtigung der End-to-End-Betrachtung und der integrierten Sicht auf die Wert- beziehungsweise Lieferkette in der Betrachtung der Customer Journey. Obwohl es auch hier bereits Leuchtturm-Projekte, wie etwa die EnBW gibt, die umfassend „End-to-End” denke.

Desweiteren wurde die Wahrnehmung und Anwendung der Value-Irritant-Matrix”-Methode von Bill Jaffe und David Price (siehe Buch) diskutiert. Sie ist ein Werkzeug zur Bewertung und Priorisierung verschiedener Aspekte des Kundenerlebnisses. Sowohl aus Kunden als auch aus Unternehmenssicht. Diese Methodik sei in vielen Unternehmen zum Standard geworden. Auch in Projektplänen und Projektausschreibungen würde diese Methode immer häufiger angewandt. Nils Hafner schreibt hierzu: 

„Die ‘wertschöpfenden’ Dialoge im Sinne der Autoren der Value-Irritant-Matrix, Price und Jaffe, werden also immer spezifischer und immer erfolgreicher vorbereitet.” 

Im Gespräch nicht ausreichend beleuchtet, aber in der Betrachtung von Nils Hafner als neues Visionsthema angeführt, ist die Denke in CX-Ökosystemen beziehungsweise -Plattformen und die konzeptionelle Umsetzung der „Multiexperience”-Anforderung. Hierbei geht es um eine vernetzte Konzeptsicht auf die verschiedenen Touchpoints und die ganzheitliche Betrachtung der Kundeninteraktion über diese verschiedenen Touchpoints. Auf der Umsetzungsseite braucht es hier eine vernetzte und integrierte Informations- und Prozesssicht auf das Kundeninteraktionsmanagement, was sich laut Hafner und Henn in der „CX-Ökosystem/Plattform-Denke” in den Projekten verfestigt.

Harald Henn fasst zusammen: Im Bereich „Process”, also bei der Anwendung von Methoden, Werkzeugen und Steuerungskonzepten, sei die Akzeptanz in den Unternehmen gestiegen, wobei man von einem Standard noch weit entfernt sei.

„Technology”: Umbau- und Erweiterungsarbeiten als Basis für einen besseren CX-Ansatz

Für das Kategorienfeld „Technology” führte Harald Henn das Thema Customer Identity & Access Management” (CIAM) als ein neues und wichtiges Thema an. Die eindeutige Erkennung der Kunden sei die Basis für ein personalisiertes Kundenerlebnis über verschiedene Touchpoints. Dies sei kein wirklich spannendes CX-Thema, aber ein Brennpunkt, wenn es keinen Lösungsansatz in den Projekten gäbe.

Desweiteren habe sich im Technologie-Bereich nicht viel verändert, wenngleich Unternehmen hier einiges umbauen und erweitern würden. So werde vielerorts an einer besseren Vernetzung auf Datenebene für eine bessere, integriertere Sicht auf die Kunden und ihre Interaktionen gearbeitet. Hier stünde die Customer Data Platform (CDP) hoch im Kurs, weshalb Henn hier auch die verstärkte Ausrichtung an eine integrierte End-to-End-Sicht feststellt. So positioniert sich etwa SAP mit der Bezeichnung „Enterprise CDP” im Markt.

Bei den jüngsten Entwicklungen im Bereich künstlicher Intelligenz durch ChatGPT und weiterer Large-Language-Modelle stellt Henn fest, dass sich die Dialogfähigkeit der Systeme in Richtung komplexerer Dialoge und Intend-Erkennung entwickeln. Der Trend gehe von regelbasierten Systemen zu einer wirklichen Conversational-AI-Experience. Auch die „Multiexperience” über die Integration der verschiedenen Kontexte und Touchpoints würde sich weiterentwickeln.

Als weiteres wichtiges Basisthema, was Unternehmen umsetzen würden, macht Harald Henn „CX Analytics” (Customer Analytics) aus. Dies ist, ebenso wie CDP, eine grundlegende Herausforderung zur Verbesserung der Customer Experience. Neben klassischen Methoden der Marktforschung und Befragungen zur Kundenzufriedenheit sieht er hier die Auswertung von unstrukturierten Informationen aus Dialogen und offenen Abfragen im Kommen, die auch durch den Fortschritt bei den KI-Technologien einen neuen Schub bekämen.

Unser Fazit: Mit einem guten Fundament zu neue Projektfortschritten

Mit Blick auf unsere weiteren Gespräche zu den CX-Prognosen in 2023 (siehe hier und hier) und unserem Motto „Unlock Your CX Power” bei der Shift/CX 2023 bilden die Ergebnisse des CEX Trendradars von Nils Hafner und Harald Henn ein weiteres Mosaikstückchen. Das zusammenfassende Bild von Hafner vom Bau des Fundaments für einen nachhaltigen CX-Erfolg passt dabei sehr gut bezüglich der unterschiedlichen Anstrengungen in den Projekten in diesem Bereich.

Nun gilt es, diese Anstrengungen in der Projektaussteuerung und dem Veränderungsmanagement auch erfolgreich „auf die Straße” zu bringen. Die Erfahrungen und Empfehlungen hierzu sehen wir als Diskussionsauftrag für unsere weiteren Veranstaltungen.


Für die Vorstellung des umfangreichen CX Trendradars verweisen wir auf die von Harald Henn und Rainer Kolm organisierte CX:Dialog am 15.02.2023 und die kommenden Veröffentlichungen des Trendreports ab Anfang Februar.


Das Gespräch gibt es auch auf YouTube:

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