Generative AI für eine optimierte Customer Experience? Überlegungen und Feedback von Prof. Dr. Peter Gentsch

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Photo-Credit: Foto von DeepMind (https://unsplash.com/@deepmind) auf Unsplash

Liest man sich derzeit durch die einschlägigen Fachmedien und Business-Netzwerke wie LinkedIn kommt man nicht umhin, über die unzähligen Berichte und Diskussionen zu ChatGPT zu stolpern. Auch wir haben das Thema bereits im Kontext unserer Shift/CX Trends 23 im Dezember mit Bezug zum Conversational-Thema diskutieren können.

In dem Gespräch machte insbesondere Prof. Dr. Peter Gentsch die Aussage, dass ChatGPT bzw. - allgemeiner gesprochen - die Gruppe der “Generative AI”- basierten Werkzeuge ein “Game Changer” für das Thema Conversational und andere Themenfelder sind. Er ergänzte aber auch, dass derzeit mehr “Hype als Business” um das Thema besteht und 2023 dafür dienen sollte, das Thema zu versachlichen. 

Für das Thema Customer Experience haben wir uns mal mit der Thematik auseinander gesetzt und auch Peter Gentsch nochmals ein paar Fragen gestellt.

Was ist Generative AI?

Generative AI bezeichnet im Allgemeinen jene KI-Technologien, die eigene Inhalte erstellen können, indem sie auf bereits vorhandene Daten und Eingaben reagieren. Wichtiges Merkmal der Generative AI, dass ihr generierter Output den Alan Turing Test besteht - sprich eine hohe Wahrscheinlichkeit besitzt, für den Menschen lesbar zu sein.

Die Generative AI kann verwendet werden, um Bilder, Texte, Audio und Video sowie Programmiercode und andere strukturierte Inhalte zu erstellen. Sie ist in verschiedenen Bereichen einzusetzen, wie zum Beispiel zur Erstellung von Texten und Bildern, Audio und Video und sonstigen kreativen Gestaltungsobjekten.

Aus Laiensicht formuliert - basieren die Technologiekonzepte auf Machine Learning Algorithmen, die entlang von statischen Modellen semantische Zusammenhänge in Inhalten interpretieren und daraus neue Kombinationen für eine Aufgabe ermitteln können. Im erwähnten Shift/CX Trend-Gespräch führte Ralf Nikolai hierzu an - dass die Lösungen damit eine Tendenz zum “Fabulieren” bzw. "Hallozinieren" haben. Positiv ausgedrückt sind die Ansätze “kreativ”, weil sie eine zufällig errechnete Neukombination von semantisch in Beziehung stehenden Inhalten generieren können. 

Im Wesentlichen sind die generativen Modelle von den diskriminativen Modellen zu unterscheiden, die für die Entscheidungsfindung eingesetzt werden. Laut Technopedia sind die generative Modelle auch “teurer”, da sie mehr Rechenleistung benötigen.

Es gibt verschiedene Generative AI-basierte Tools und Technologien, die für die Erstellung von Texten, Bildern, Audio und Video verwendet werden können. Einige Beispiele für Generative AI-basierte Tools sind:

  • GPT-3 (Generative Pre-trained Transformer 3) ist ein Textgenerator, der von OpenAI entwickelt wurde. Er kann Texte auf der Grundlage von vorhandenen Daten und Eingaben generieren und wird häufig verwendet, um automatisierte Nachrichten, Blog-Beiträge und andere Texte zu erstellen.
  • DeepDream ist ein Bildgenerator, der von Google entwickelt wurde. Er verwendet neuronale Netze, um Bilder zu generieren, die auf vorhandenen Bildern basieren und bestimmte Muster oder Themen hervorheben.
  • AIVA (Artificial Intelligence Virtual Artist) ist ein AI-basierter Musikgenerator, der Musikstücke auf der Grundlage von Musikstilen und Eingaben von Benutzern generieren kann.
  • StyleGAN (Generative Adversarial Network) ist ein Bildgenerator, der von NVIDIA entwickelt wurde. Er kann realistische Bilder von Menschen, Tieren und anderen Objekten generieren, indem er auf vorhandene Bilddaten lernt.
  • OpenAI's DALL-E ist ein Bildgenerator, der auf der Grundlage von Textbeschreibungen Bilder generieren kann. 

Die generativen Modelle helfen dabei die Effizienz von Prozessen zu verbessern und Kreativität und Innovation zu fördern, haben aber auch das Risiko des Datenmissbrauchs und der Verbreitung von falschen bzw. erratisch erfundenen Informationen. Wichtig sind daher Prozesse, die die Ergebnisqualität der Anwendungen überprüfen.

Wie verändert Generative AI das Customer Experience Management?

Wie bereits angeführt, helfen die generative Modelle bei der Erstellung von Inhalten und können damit auch verschiedene “Customer Experience”-Anstrengungen unterstützen, wo es darum geht massenhaft individueller auf Kundenerwartungen einzugehen und entlang von spezifischen Kundendaten automatisiert sowie auf Basis des “Segment of One” (sprich dem individuellen Kunden) Inhalte und Prozessinformationen zu generieren.

Das bereits erwähnte ChatGPT gibt uns hierzu folgende Beispiele und Erklärungen:

  • Personalisierung: Generative AI kann verwendet werden, um individuelle Kundenerlebnisse zu schaffen, indem sie auf individuelle Vorlieben und Verhaltensmuster von Kunden reagieren. Beispielsweise können generative AI-basierte Chatbots individuelle Antworten auf Kundenanfragen liefern, anstatt standardisierte Antworten zu geben.
  • Automatisierte Prozesse: Generative AI kann dazu beitragen, Prozesse zu automatisieren, die für Kunden zeitaufwendig oder mühsam sein können. Beispielsweise können generative AI-basierte Tools verwendet werden, um Kundenanfragen zu automatisieren, wodurch der Kundenservice effizienter wird.
  • Erhöhte Effizienz: Generative AI kann dazu beitragen, die Effizienz von Prozessen zu verbessern, indem sie menschliche Fehler minimiert und die Geschwindigkeit von Prozessen erhöht. Dies kann dazu beitragen, dass Kunden schneller bedient werden und weniger Wartezeiten haben.
  • Neue Angebote: Generative AI kann dazu beitragen, neue Angebote und Dienstleistungen zu entwickeln, die auf individuellen Kundenbedürfnissen basieren. Beispielsweise könnten generative AI-basierte Tools verwendet werden, um personalisierte Produktempfehlungen zu erstellen.

An dem Beispieltext sind gleichsam die Möglichkeiten wie auch Grenzen zu erkennen. Natürlich lassen sich mit diesen Ansätzen massenhafte Inhalte mit oberflächlicher Richtigkeit erstellen. Gefüttert mit den richtigen Kontextinformationen (aka Domainenwissen) lassen sich aber die Inhalte auch sehr spezifisch auf den Kunden anpassen. Gleichsam sind sie aber auch sehr “kreativ” und “zusammengewürfelt" - sprich sie brauchen unbedingt noch ein qualitatives Korrektiv, da sie sonst je nach Kundenerwartung als zu “oberflächlich” und “nicht zufriedenstellend” wahrgenommen werden könnten.

Wie kommen wir nun zum sinnvollen Einsatz von Generativer AI im Customer Experience Management?

Was sind die Herausforderungen und Voraussetzungen, die es in 2023 anzugehen geht, um mit den Entwicklungen in diesem Bereich Schritt zu halten? Hierzu haben wir Prof. Dr. Peter Gentsch um ein paar Antworten gebeten:


trueDr. Peter Gentsch ist Speaker, Unternehmer und Wissenschaftler in einer Person und zählt seit den 90er Jahren zu den Pionieren und Top-Experten im Bereich Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data. Mit mehreren Unternehmensgründungen und -beteiligungen gehört er zu den erfolgreichsten Internet-Unternehmern in Deutschland.


Lernpfad Customer Journey Management

1. Welche Potenziale siehst Du für den Einsatz von Generative AI im Customer Experience Management?

"Insgesamt hat die Generative AI das Potential das Customer Experience Management deutlich zu verbessern, indem Unternehmen in der Lage sind, für ihre Kunden auf großer Ebene personalisierte , relevante und ansprechende Erlebnisse zu schaffen.“ Diese Antwort stammt jetzt nicht aus meiner Feder, sondern ist das Ergebnis von ChatGPT von Open AI.

Ich denke, das zeigt eindrucksvoll was Generative AI heute schon im Stande ist zu leisten. Zudem lässt sich die Antwort je nach Zielgruppe noch anpassen bzw. personalisieren, was ja qua Definition von ChatGTP auch Teil der Aufgabe ist. Trotzdem sollten wir das Interview nicht an dieser Stelle abbrechen. Denn was die Generative AI heute noch nicht leisten kann, ist die verlässliche und kohärente Einschätzung und Bewertung dieser Technologie. Dies ist aber entscheidend für ein entsprechendes Erwartungsmanagement bezüglich der Potenziale von Generative AI im Customer Experience Management.

Prinzipiell hat Generative AI das Potenzial, Prozesse im Customer Experience Management zu automatisieren und damit Effizienz- und Kostenvorteile zu erzielen. Neben Text kann sie auch multimodale Inhalte wie Bilder, Audio und Video produzieren, um personalisierte und aktivierende Kundenerlebnisse zu schaffen.

Zudem kann Generative AI den Customer Experience Manager bei seiner täglichen Arbeit unterstützen. Als Augmentation Intelligence kann die Technologie Sinne eines Supportsystem Wissensbasen durchsuchen oder Zusammenfassungen von E-Mails und Call Center-Berichten schreiben. Eine weitere Facette bietet der Technologieansatz als Quelle für Inspiration und Insights. So können z.B. aus Kunden-Reviews und -Feedbacks automatisch Trends und Themen extrahiert werden die für die Optimierung von Kommunikation und Produkten genutzt werden können.

Neben der direkten Interaktion an Kundenschnittstelle kann Generative AI dazu beitragen, “smarte” Produkte bereitzustellen, die mit “Embedded AI” die Kundenerfahrungen direkt verbessern kann. So kann die Waschmaschine automatisch einen personalisierten User Guide erstellen oder bei Wartungsthemen aktiv mit dem User direkt sprechen bzw. Antworten auf seine Fragen geben. Damit lässt sich zunehmend die  Notwendigkeit von Kundenservice-Interaktionen minimieren.

An der Stelle muss noch gesagt sein, dass die hier angeführten Beispiele nicht unbedingt auf ChatGPT von OpenAI abstellen. OpenAI's ChatGPT ist derzeit sicherlich das populärste Large Language Model für die Generative AI, aber es ist nicht „Open“ sondern “Closed Source” und Unternehmen müssen sich überlegen, ob sie diese Lösung im Customer Experience Management verwenden wollen. Sie sind dabei nicht nur von den Kosten abhängig, sondern besitzen auch nicht die Hoheit über das in den Modellen enthaltene Kunden- und Marktwissen. Alternativ gibt es auch Open Source-Lösungen wie BIRD oder Bloom oder europäische Modelle wie LEAM.

2. Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen für den Einsatz von Generativer AI im Customer Experience Management schaffen?

Generative AI bietet im Vergleich zu anderen KI-Lösungen einen einfacheren Einstieg, da sie vortrainiert und somit schnell einsetzbar ist. So steht das “P” bei ChatGPT für “Pretrained”. Die Modelle müssen jedoch angepasst und gepflegt werden und benötigen daher eine organisatorische Verankerung und eine “Ownership” im Unternehmen. Der Anspruch dieser Modelle ist es, eine Basis für möglichst viele Anwendungsfelder zu schaffen (daher auch „Foundation Modelle“). Daher ist es wichtig, über Abteilungen und Kanäle hinweg zu denken und die Zuständigkeiten entsprechend zu definieren.

Ein klares Erwartungsmanagement ist ebenfalls wichtig, um die Kosten und den Zeitaufwand für die Anpassung und Pflege der Technologie entsprechend zu berücksichtigen. Insgesamt bietet die Generative AI im Customer Experience Management einen niederschwelligen Einstieg mit einem breiten Anwendungsbereich. Wichtig dabei ist es ein klares Vorgehensmodell und eine entsprechende Strategie zu entwickeln, um die Modelle nachhaltig erfolgreich im Unternehmen  zu verankern.

3. Wie können wir gewährleisten, dass die von der generativen AI unterstützte Automatisierung und Individualisierung der Kundeninteraktion auch wirklich zufriedenstellend ist?

Die Einfachheit des Einstiegs in die Generative AI, wie sie beispielsweise durch ChatGPT demonstriert wird, täuscht darüber hinweg, dass keine der LLMs und Out-of-the Box-Lösung hinreichend gute Qualität haben, um sie produktiv verlässlich im Unternehmen einsetzen zu können.

Die große Gefahr dieser Modelle ist, dass sie sehr eloquent kommunizieren können, aber auch sogenannten “plausible bullshit” verbreiten. Hier gilt es technologische und organisatorische Qualitätsmanagement-Prozesse zu implementieren. Zudem ist das sogenannte "Prompt Engineering" wichtig, also der initiale Input mit dem man die Sprachmodelle füttert. Hier benötigt man Erfahrung, um den jeweils besten Prompt zu generieren, da das Ergebnis je nach Prompt sehr unterschiedlich sein kann.

Zum anderen ist für den Unternehmenseinsatz eine Anpassung an die Wissensdomäne des jeweiligen Unternehmens bzw. der Branche notwendig. Hierzu gibt es drei Möglichkeiten: das “Feintuning” (Anpassung des Modells auf die Wissensdomäne), “Embeddings” (Ergänzung einer numerischen Repräsentation der Wissensdomäne als Referenzmodell) oder “In-Context-Learning” (Iterative Feedbackschleife zur Anpassung des Modells auf die Wissensdomäne).

Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ergebnisse dann 100% fehlerfrei sind und dass damit auch eine 100% Automatisierung ermöglichen. Als Augmented/ Assistenz-Funktion machen die Lösungen aber dennoch Sinn. In Bezug auf die Fähigkeit mit GPT-3 automatisiert Code zu generieren - hat der ehemalige CEO von GitHub einmal gesagt, dass die Lösung zu 70% Schrott produziert - also nicht funktionierenden Code generiert. Wie können wir aus diesem Problem ein Produkt machen? Sie haben das Produkt Copilot entwickelt und es so gestaltet, dass es eine Technologie ist, die dem Entwickler hilft, schneller und besser zu programmieren, ihn aber nicht ersetzt. Genauso brauchen wir im Customer Experience Management Qualitätsprozesse, in denen der Mensch das Copilot Foundation-Modell nutzt, um bessere Erlebnisse zu generieren.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Ausrollen dieser Modelle. Es empfiehlt sich, Modelle schrittweise auszurollen, um das jeweilige Feedback sukzessive zur Optimierung der Modelle zu nutzen. Zudem gilt es das richtige Modell auszuwählen, das inhaltlich und kommunikativ gut passt und zugleich ökonomisch tragbar ist.

4. Welche Best-Practices gibt es beim Einsatz von Generative AI im Customer Experience Management?

Derzeit werden Generative AI-Technologien hauptsächlich in Show- und Demo-Cases verwendet. Einige Unternehmen haben die Technologie bereits in ihre Customer Experience-Lösungen integriert, um aus qualitativen Kundenfeedbacks quantitative Insights zu gewinnen. Es wird erwartet, dass Unternehmen in Zukunft Generative AI verstärkt für das Customer Experience Management einsetzen werden, aber dies setzt sowohl auf der Anwender- als auch auf der Software-Anbieter-Seite ein gewisses Changemanagement voraus.

Wir befinden uns insgesamt noch in einer sehr frühen Phase der Entwicklung von Generative AI für das Customer Experience Management. In diesem Jahr wird die Entwicklung jedoch beschleunigt und verstärkt werden, da Unternehmen wie OpenAI, Google und Meta im Wettbewerb um die besten Foundation-Modelle immer stärker konkurrieren. Dieser zunehmende Wettbewerb wird die Verbreitung und Qualität von Foundation-Modellen für das Customer Experience Management in diesem Jahr nachhaltig fördern.


Wir danken Prof. Dr. Peter Gentsch für seine spannenden Ergänzungen zu unserem Beitrag.

trueWer mehr zu Generative AI Ansätzen wissen möchte, dem empfehlen wir die neue Initiative von Peter Gentsch mit der AI Foundation: Mit der Mission “Turning Foundation Models into Business” bringt die Initiative Experten und Praktiker rund um das Thema Generative AI zusammen und möchte mit einem Erfahrungsaustausch die Entwicklung von skalierbaren, qualitätsgesicherten End-to-End Lösungen voranbringen.