Auch im heutigen Interview knüpfen wir nochmals an die Conversion-Optimierungs-Perspektive (kurz #CRO-Perspektive) auf das Thema "Digital Experience" an und präsentieren die Antworten von Fabian Liebig. Er ist Marketingmanager DACH bei Optimizely, einer Plattform für A/B- und Multivariate Tests sowie Partner der Web Experience Arena, und bloggt im Optimizely-Blog.
1. Warum ist die "Customer Experience" im Digitalen so wichtig?
Ich denke, die Customer Experience ist nicht nur im Digitalen wichtig. Wenn ich in einen Supermarkt gehe und die Schilder, die mich in die Obstabteilung leiten sollen, bringen mich an die Fleischtheke, dann ist das keine gute Customer Experience. Wenn ich dann an der Kasse nicht mit Karte zahlen kann und dann nach dem Bezahlen eine Tüte will und diese dann 20 Cent extra kostet, dann habe ich sicherlich keine gute Customer Experience erhalten. Online ist das genauso. Wir müssen uns immer fragen, ob wir durch den Aufbau der Webseite und die Art und Weise wie wir den Besucher online behandeln, eine sinnvolle und zielführende Erfahrung schaffen. Simpel ausgedrückt ist eine gelungene Customer Experience ja eine Win-Win Situation. Der Kunde findet das, was er online sucht (Artikel, ein paar Schuhe, einen Bausparvertrag) mit weniger Aufwand (weniger Sucheingaben, weniger Klicks, kürzere Formulare) und ich verkaufe mehr und in kürzerer Zeit. Wir Menschen sind außerdem faul und Gewohnheitstiere - wir werden zu der Nachrichtenseite zurückkehren, die uns die relevantesten Artikel vorschlägt und zu dem Onlineshop, bei dem wir am schnellsten das Produkt finden, das wir gesucht haben. Eine gut gestaltete Customer Experience ist also nicht nur hilfreich, um einmalig etwas zu verkaufen, sondern hilft mir auch dabei, Kunden langfristig zu binden und Wettbewerbsvorteile zu schaffen.
2. Was macht für Dich/Sie eine gute (Web/Mobile) Experience Strategie aus?
Wichtig ist, dass es um das Erreichen von Zielen geht. Wenn ich auf einer Webseite oder in einer App unterwegs bin, dann möchte ich ein Ziel erreichen. Wenn die App nach 2 Taps crasht oder die Webseite 5 Sekunden lädt, dann tritt natürlich Frustration auf. Das sind also die Grundbausteine, die sicherstellen, dass ich das Angebot überhaupt nutzen kann. Das machen viele Anbieter richtig, aber das sind die Basics. Weitergehend sollte ich dann darauf achten, dass meine Webseite klar aufgebaut ist, dass ich nicht zu viele Ablenkungen schaffe, dem Besucher aufzeige wie lange ein bestimmter Prozess dauert etc. Zusammengefasst zeichnet eine gute Experience aus, dass ich während des Prozesses als potenzieller Kunde gut informiert bin und so mein Ziel möglichst schnell erreichen kann.
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3. Was ist die größte Herausforderung im Umgang mit dem "Digital Customer"?
Eine der größten Herausforderungen, aber gleichzeitig auch eine der größten Chancen, ist das zunehmende “always-on” Verhalten. Ich möchte shoppen, egal wo. Das führt dazu, dass ich nicht nur eine optimierte Webseite brauche, sondern diese auch mobil optimiert sein muss. Auch sollte die App eine Experience bieten, die denen aus dem Web bekannten ähnelt. Nehmen wir einmal den Schuhkauf als Beispiel für den Digital Customer. Morgens sitze ich in der Bahn und bin in der App eines Schuhverkäufers unterwegs. Ich finde ein paar Schuhe, das ich mir unbedingt kaufen möchte, doch plötzlich stoppt der Zug. Ich füge den Schuh meiner Wunschliste zu. In der Mittagspause laufe ich an einem Plakat vorbei. Abends sehe ich einen Spot der gleichen Schuhhandels, stehe von der Couch auf, logge mich ein und kaufe den Schuh online auf meinem Computer. Das ist die typische Cross-Channel Erfahrung, die die Realtät in vielen Branchen widerspiegelt. Die große Herausforderung ist das Verknüpfen dieser Punkte. Wie gestalte ich eine Webseite für den kleinen Bildschirm für spontanere Kaufentscheidungen, wenn ich keine Kreditkarte zücken will und nicht viel Zeit habe? Den Anforderungen und den Motivationen von Kunden gerecht werden, das ist die Herausforderung. Es ist ja derselbe Kunde in der App oder am Desktop, nur die Bedingungen unter denen er shoppt sind anders.
4. Wo stehen die Unternehmen bei dem Thema? Was machen sie gut oder wo müssen sie nachlegen?
Wir sehen in der letzten Zeit mehr Bemühungen von Unternehmen, diese Herausforderungen anzugehen und die Muster in unserem Shoppingverhalten besser zu bedienen. Weiterhin geistern Wörter wie Personalisierung oder Cross-Channel herum, aber es gibt sicherlich nur einen kleinen Prozentsatz, der wirklich strukturiert an diese Themen herangeht. Da gibt es also auf jeden Fall noch sehr viel Spielraum nach oben. Wenn ich mir angucke, dass unter den 100 größten deutschen Onlineshops 20% noch keine mobile App oder mobile Webseite haben, dann sollte ich da zuerst ansetzen. Wichtig ist es allerdings, und das merken auch immer mehr Unternehmen, dass wir Entscheidungen online auf Daten basieren, denn im Unterschied zum Supermarkt kann ich viele Dinge einfacher messen, wo sich Besucher nicht zurechtfinden oder warum sie den Kaufprozess abbrechen. Viele Unternehmen machen das ganz ordentlich, müssen dann aber noch den nächsten Schritt gehen, um diese Schwachstellen dann zu optimieren.
5. Womit sollten die Projektüberlegungen bei diesem Thema anfangen?
Jede Projektüberlegung sollte mit einer gründlichen Analyse des Status Quo beginnen. Nur wenn ich die Schwachstellen meiner Webseite oder App bestimmen kann, bin ich in der Lage sinnvolle Hypothesen für die Optimierung zu erstellen. Wenn ich etwas verbessern möchte, dann muss ich das auch messen können. Qualitative und quantitative Analyse ist der erste Schritt, Testen und Experimentieren ist der zweite Schritt. Anfangen sollte alles mit dem Customer, denn um den sollte es ja eigentlich gehen. Um den Customer zu begeistern, muss ich ihn verstehen, und da hilft es sehr, datengetrieben an solche Projekte heranzugehen und Ideen und Hypothesen über vermeintliche Designs zu testen.
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