Ines Imdahl: „Kunden lassen sich nicht in eine einzige Schublade stecken”

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Den Abschluss unserer Kurz-Interviewreihe zur Shift/CX 2023 macht Ines Imdahl. Sie ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von rheingold salon, einem international renommierten Institut für Markt- und Kulturpsychologie. Indes Imdahl zählt sie zu den Top-Expertinnen im Bereich der tiefenpsychologischen Markt- und Medienforschung. Als Diplom-Psychologin, Vortragsrednerin, TV-Moderatorin und Buchautorin wurde sie 2022 mit dem „40 over 40 – Germany’s Most Inspiring Women“ Award ausgezeichnet.

1. Ines, du sprichst bei der Shift/CX zum Thema „Warum wir ein neues Verständnis zu Customer Insights entwicklen müssen.“ Mit welchen drei Schlagwörtern können wir deinen Vortrag auszeichnen?

Zusammenhang statt Schlagworte – das wären ja schon drei. Für mich ist das schon der Kern: Wir wollen alles nur noch kurz, in Tabellen und Zahlen. Menschen verstehen, bedeutet aber, ihre Geschichten zu verstehen und ihnen überzeugende Geschichten zu bieten. Für eine positive Customer Experience.

Mein Vortrag bezieht sich auf das System Unternehmen versus das System Mensch und darauf, dass Menschen eben nicht wie Roboter agieren. Unternehmen dürfen daher nie aufhören, ihre Kunden und Mitarbeiter immer wieder neu und umfänglich verstehen zu wollen.

2. Du bist der Ansicht, dass Unternehmen nach wie vor ein falsches Verständnis von ihren Kunden haben. Was meinst du damit?

Viele Unternehmen aktualisieren das Verständnis zu ihren Kunden immer seltener oder verlassen sich auf sehr einfache Einschätzungen wie AB-Testings nach dem Motto: „Meine Zielgruppe mag das lieber als jenes.“ Ohne zu wissen, ob die Zielgruppe die beiden angebotenen Lösungen überhaupt für Lösungen hält. Und sie nutzen zum Teil veraltete Zielgruppenmodelle. Menschen haben sich aber nicht nur immer weiter individualisiert, sondern sind oftmals „schizophrene Persönlichkeiten“. War man früher Raucher oder Nichtraucher, ist man heute Gelegenheitsraucher.

3. Es gibt doch aber Persona-Modelle, die nicht nur demographische Daten, sondern auch den situativen Kontext im Konsumentenverhalten berücksichtigen. Was muss da noch verbessert werden?

Persona-Modelle sind nicht gleich Persona-Modelle. Es gibt sicher sehr gute, die sich im Wesentlichen kaum von früheren, branchenspezifischen Segmentierungsmodellen unterscheiden. Andere entwickeln ihre Personas in hauseigenen Workshops via „Good-Feeling“. In diesem Zusammenhang haben wir im rheingold salon schon von „erfundenen Zielgruppen“ gesprochen. 

Das Ziel jeder Persona-Entwicklung ist es, eine Vorstellung von einem Charakter oder einer Persönlichkeit zu bekommen. Aus unserer Sicht ist das ein großer Umweg. Wir brauchen kein Verständnis des Charakters, sondern das Verstehen von Empfindungen und Verhalten in bestimmten, durchaus auch komplexen Zusammenhängen. Umfänglich zu verstehen, was an einem Touchpoint passieren kann, ist viel relevanter. Und das kann schon bei einem einzigen Menschen extrem unterschiedlich sein.

Lernpfad Customer Journey Management

4. Reicht die tiefer gehende Analyse der eigenen Kunden zur Optimierung von Kundenaktivitäten aus (Stichwort Innensicht vs. Außensicht)?

Natürlich sollten Unternehmen auch sich selbst gut verstehen. Denn in der Regel senden Unternehmen und Marken unbewusst Botschaften nach außen. Was innen ist, ist außen spürbar. Nur eine klare Haltung im Unternehmen kann auch klar kommuniziert werden. Ein Positionierungspapier, das niemand kennt, eine CX-Strategie, die nur ein Verantwortlicher kennt, wird im Markt nicht ankommen. Es reicht also auch nicht aus, dass die Markforscher oder Marketingverantwortlichen die Kunden kennen. Das Kundenverständnis und sinnvolle Lösungen für Kunden sollten bei allen Abteilungen eines Unternehmens immer im Zentrum stehen. Denn Kunden zufriedenzustellen ist Sinn  und Zweck jedes Unternehmens.

5. Was müssen Unternehmen also besser machen? Ein besseres Kundenverständnis aufbauen und dann an der Hyperpersonalisierung arbeiten, um jedem Kontakt einzeln gerecht zu werden?

Die Hyperpersonalisierung geht nach wie vor von einer Charakter-Logik aus. Unternehmen sollten ihre Kontaktpunkte verstehen und diesen gerecht werden: 

  • Was genau „passiert“ an diesem Punkt?
  • Welche möglichen Auslegungen, Interpretationen und Störungsmöglichkeiten gibt es?
  • Habe ich für alle Eventualitäten vorgesorgt?
  • Gibt es eine Feedbackschleife, die zu Veränderungen führt?

Immer kleinteiliger zu targeten halten wir im rheingold salon nicht für den Königsweg.

6. Mit welchen Erwartungen nimmst du an der Shift/CX teil? Und: Was können wir erwarten?

Gerade im Bereich KI und Digitalisierung bin ich gespannt auf Beiträge, die die CX weiter verbessern können. Das ist für mich die spannendste Kombination zu unserer tiefenpsychologischen Forschung. Ich bin auch gespannt, wie gut die Community den Online-Kongress annimmt.

Wie bedanken uns für deine Antworten, Ines. 

  •  Leske

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